Mit einem neuen Teilnehmerrekord sind die Atomtage 2018 am Samstag, den 22.09.2018 zu Ende gegangen. Die Atomtage, die von der Karlsruher Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Umweltausschusses, Sylvia Kotting-Uhl, mit der Unterstützung der Grünen Kreisverbände Karlsruhe-Land und Karlsruhe-Stadt, dem Landesverband und der Grünen Fraktion im Europaparlament organisiert werden, fanden dieses Jahr zum vierten Mal statt. Die Schwerpunkte waren der Abbau von Uran und seine Folgen, die aktuelle europäische Atompolitik und die Macht der Atomkraft. Hierzu sprach unter anderen Jürgen Trittin, der ehemalige Bundesumweltminister.
Die Atomtage starteten eigentlich am Dienstag, den 18. September mit dem Film‚ Yellow Cake‘, in dem es um die Gewinnung von Uran durch Bergbau und die Herstellung des Ausgangsmaterials für die Uranherstellung geht, dem so genannten „Yellow cake“. Der Film fängt bei der WISMUT AG in Thüringen und Sachsen an und zeigt die Bemühungen, die Hinterlassenschaften zu sanieren. Er betrachtet weiter die riesigen Tagebauanlagen in Australien, Namibia und Kanada, wo überall im Land indigener Bevölkerung abgebaut wird.
Da der Urangehalt des Erzes bei deutlich unter 1% liegt, werden bei der Bearbeitung sehr viele Reststoffe produziert. Hier sind die sog. „Tailings“ die größte Belastung. Sie fallen als Schlämme an, sind nicht nur radioaktiv, sondern auch toxisch. Wegen der großen Mengen werden sie in große Becken geleitet. Diese Becken sind weder oben noch unten abgedichtet, so dass Abgrund und Grundwasser kontaminiert werden. Obeirdisch können Stäube entstehen, die durch den Wind in die Umgebung verteilt werden. Bei der WISMUT AG wird heute versucht, diese Tailings mit Kunststoffgittern zu befestigen und so die Gefahr zu reduzieren.
Der Film war eine gute Einführung in die Problematik. Auch die Schüler/innen vom begleitenden Jugendforum haben gespannt zugeschaut. Übrigens ist der Film auch im Internet verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=1AZnb2Rb0Fk
Am Donnerstag gingen die Atomtage dann wirklich los. Nach einem Grußwort des OB Frank Mentrup wurde über den Start der Endlagersuche diskutiert. Steffen Kanitz, Geschäftsführer der Bundgesellschaft für Endlagerung (BGE), berichtete von den Arbeiten seines Unternehmens mit 1900 Mitarbeiter, die u.a. für die Endlagersuche zuständig sind. Augenblicklich sind sie mit der Beschaffung bestehender Daten beschäftigt. Dies ist nicht ganz einfach, da z.B zwei Bundesländer die Haltung vertreten, das Standortauswahlgesetz (StandAG) sei keine ausreichende Rechtsgrundlage um die Daten privater Unternehmen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Endlagersuche wird vom Nationalen Begleitgremium (NBG) kritisch begleitet. Vom Gremium waren zwei Vertreter anwesend, Klaus Brunsmeier (BUND) und Prof. Hendrik Lambrecht (Bürgervertreter). In der Diskussion wurde klar, dass bei Übereinstimmung im Großen und Ganzen zwischen NBG und BGE , im Detail doch einige Diskussionspunkte bestehen.
Die Endlagersuche soll bis 2031 zu einem Ergebnis kommen, das scheint jedoch unrealistisch. Ein betriebsbereites Endlager wird frühestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zur Verfügung stehen. Wenn man diese Zeiträume betrachtet, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung bei diesem Prozess immens wichtig, um einen möglichst großen Konsenz über den empfohlenen Standort zu erzielen.
Der zweite Tag widmete sich der europäischen Autopolitik und begann mit einem Bericht von Sylvia Kotting-Uhl über ihre Reise nach Tschernobyl. Wirtschaftlich verwertet wird die Sperrzone inzwischen als Tourismusziel und als Atommüll-Zentrm. Unterstützt von der EU-Kommission will die Ukraine in der Atomkraft bleiben und ihre alten Sowjet-Reaktoren laufzeitverlängern.
Mycle Schneider zeigte anschließend anhand von Statistiken, dass die Atomkraft weltweit immer weiter an Bedeutung verliert. Der Anteil der Atomkraft am globalen Strommarkt nimmt seit 20 Jahren ab. Lediglich in China werden Atomreaktoren deutlich zugebaut. Gleichzeitg nimmt dort die regenerative Energieerzeugung aber deutlich schneller zu.
Claude Ledergerber berichtete über die Zustände beim französischen Atomkraftwerk Fessenheim. Obwohl die alte Anlage immer gefährlicher wird, verschiebt die französische Regierung das Abschaltdatum immer wieder. Nun soll es 2022 soweit sein.
Anne Laszlo von der französischen Gewerkschaft CFE Energies plädierte für den weiteren Betrieb von Fessenheim. Hier ginge es immerhin um Jobs für qualifizierte Techniker und Ingenieure.
Am Samstag ging es zuerst mit Uranabbau weiter. Gunther Wippel (Uranium Network) knüpfte an den Film vom Dienstag an. Nicht nur ihr Land wird den Bewohnern genommen. Durch den hohen Verbrauch an Wasser werden die Grundwasservorkommen nachhaltig zerstört. Was bleibt, wird durch die Tailings vergiftet. Abgesehen davon wird die Landschaft für Jahrhunderte verschandelt.
In Wismut sind über 7000 Arbeiter am Lungenkrebs gestorben, dies wurde erst spät als Berufskrankheit anerkannt. Eine Gesundheitsvorsorge gibt es in den Entwicklungsländern mit Uranbergbau wie Mali oder Namibia meistens nicht.
Angesichts des Umgangs mit der Natur beim Abbau von Uran muss die Rede von Atomkraft als einer „sauberen“ Energieform als reine Lüge bezeichnet werden.
Harry Block (BUND) zeigte, dass mit den Anlagen in Gronau und Lingen Deutschland auch künftig – trotz Atomausstieg – im Atomgeschäft bleiben will. In Gronau reichert die Fa. Urenco mittels Gaszentrifugen angeliefertes Uranhexafluorid an. Hierbei entstehen große Mengen an abgereichertem Uran, für das es nur begrenzte Anwendungen gibt. Dieser Abfall wird im Freien gelagert. Im benachbarten Lingen werden aus dem angereicherten Uran Brennelemente von einem Tochterunternehmen der AREVA hergestellt. Ebenso wie Gronau ist auch diese Anlage vom Atomausstieg ausgenommen. Obwohl in Deutschland nach 2022 keine Brennelemente mehr benötigt werden, wird hier weiterproduziert. Die Grüne Bundestagsfraktion hat gerade einen Gesetzentwurf zur Schließung dieser Atomfabriken eingebracht.
Anschließend sprach der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zur Macht der Atomkraft. Obwohl klar ist, dass Atomkraft unwirtschaftlich ist, wird sie aus Machtgründen weiterverfolgt. Er lobte Sylvia Kotting-Uhl für ihre Arbeit bei der Verfahrensentwicklung für die Endlagersuche. Ohne sie würde es das Gesetz zur Endlagersuche in der heutigen Form nicht geben.
Eva Stegen (EWS) legte in ihrem abschließenden Vortrag dar, dass das Atomkraftwerk Hinkley Point C an der Südwestküste von England bereits beim Bau unwirtschaftlich ist und nur mit Subvention zu betreiben ist. Sie ist davon überzeugt, dass diese Anlage vor allem aus militärischen Gründen gebaut wird. Dabei ginge es nicht vorrangig um Atombomben, sondern um die Reaktoren für britische U-Boote. Außerdem habe das Atomwaffenland Sorge, dass bei einem zivilen Atomausstieg wichtiges Know-How verloren gehen würde.
Am Samstagnachmittag haben über hundert Menschen teilgenommen. Durch interessante Themen und Redner*innen werden die Atomtage immer zugkräftiger. Wir freuen uns auf die Atomtage 2019.